Mögen die "Weltraumkrümel" mit dir sein (2024)

Craig Thompsons Weltraum-Saga Mögen die "Weltraumkrümel" mit dir sein

Von Markus Lippold 19.12.2015, 14:21 Uhr

Riesige Wale fressen sich durch das Weltall. Man kommt ihnen besser nicht zu nah. Doch Violet hat keine Angst, sie will ihren Vater retten. Comiczeichner Thompson erzählt das als buntes, überdrehtes Abenteuer, der Funke springt aber nicht über.

Das Weltall steckt voller Gefahren. Das erleben derzeit nicht nur die "Star Wars"-Helden im Kino. Auch Violet hat es nicht leicht. Zwar haben gefräßige Weltraumwale ihre Schule zerlegt, weshalb vorerst der Unterricht ausfällt. Doch kurz darauf verschwindet ihr Vater auf mysteriöse Weise. Wurde er etwa von den Walen gefressen? Das Mädchen macht sich auf die Suche, zusammen mit zwei höchst seltsamen Freunden.

Violet ist die so tatkräftige wie todesmutige Heldin von "Weltraumkrümel", dem neuen Comic von Craig Thompson. Er wendet sich nach seinen beiden Graphic Novels "Blankets" und "Habibi" einem verspielteren Thema zu und legt eine knallbunte Weltraum-Saga vor. Thompson entwirft dazu eine Gesellschaft, in der die Unterschiede zwischen Arm und Reich extreme Ausmaße angenommen haben: Die reiche Oberschicht lebt in modernsten Raumstationen, die Arbeiter hausen auf maroden Schiffen, die wie Wohnmobile in ärmlichen Siedlungen festgemacht haben.

Chaotisch und bunt

Hier lebt auch Violet. Ihre Mutter schuftet als Schneiderei in einem Sweatshop, hat aber das Talent, eine berühmte Modedesignerin zu werden. Der Vater, ein Ex-Knacki, hat einen gefährlichen Job: Er sammelt die Abprodukte jener Weltraumwale ein, die eine Schneise der Verwüstung durch das All schlagen - aus ihrem grünen Schleim wird Treibstoff hergestellt. Als die Wale auch Vilolets Siedlung angreifen, wird die Familie auseinandergerissen.

Violet und ihre Mutter können sich in die nächstgelegene Raumstation retten, der Vater jedoch bricht zu einem Himmelfahrtskommando auf und wird bald vermisst. Also macht sich Violett auf, um ihn zu retten. Zusammen mit einem schüchternen, besserwisserischen Hühnchen und einem undefinierbaren, orangefarbenen Wesen. Bunt und gefährlich sind die Abenteuer, die diese "Weltraumkrümel" erleben. Nicht nur, weil ihr Gefährt auseinanderzufallen droht, sondern auch weil sie auf skrupellose Hehler, Weltraum-Outlaws und schließlich auch noch auf die gefährlichen Wale treffen.

Nach seinen beiden umfangreichen, schwarz-weiß gehaltenen Werken legt Thompson diesmal ein chaotisches, buntes Abenteuer vor, das am ehesten noch an seinen Erstling "Mach's gut, Chunky Rice" erinnert. Schließlich tauchen hier wie dort Fantasiefiguren in Tiergestalt auf. Doch Thompson geht noch einen Schritt weiter - er setzt erstmals auf Farbe: Für die Kolorierung sorgte Dave Stewart, der etwa für seine Arbeit an "Hellboy" vielfach preisgekrönt wurde. Seine leuchtenden Farben zwischen giftgrünem Schleim und dunkelblauem Weltall passen zu den turbulenten Abenteuern der Helden.

Mit Bedeutung überfrachtet

Auch Thompson selbst beweist erneut, dass er ein großartiger Künstler ist: Sein lebendiger, geschwungener Strich, der gern mal zu Übertreibungen neigt, unterstreicht wunderbar diese Geschichte, die gerade für Kinder geeignet ist. Er lässt dabei seiner Fantasie freien Lauf, vor allem bei der Gestaltung technischer Geräte. Bis ins kleinste Detail baut er diese aus: Überall sieht man Knöpfe oder Kabel, gibt es komplizierte Schaltpulte und neue Ideen für Fahrzeuge und Waffensysteme.

Visionär will Thompson dabei aber nicht sein. Er orientiert sich vielmehr sehr stark an bekannten Formen. So sehen viele Raumschiffe wie verrostete Schiffe aus, die Fabriken der Arbeiter mit ihren vielen Schornsteinen gleichen trostlosen Industriegebieten. Aber auch Hamburger, Schildkröten und Hummer dienen als Inspiration für die vielgestaltigen Raumstationen und Gefährte.

Doch wie schon in früheren Büchern geht es Thompson um mehr als die einfache Geschichte. Was als spannendes und buntes Abenteuer im Weltraum beginnt, wird schnell durch zu viel Bedeutungsebenen überfordert. Natürlich geht es auch um das Erwachsenwerden von Violet, darum, dass sie sich selbstständig macht, es geht um Einsamkeit und Freundschaft. Doch darüber hinaus thematisiert Thompson wie schon in seinen früheren Werken Umweltverschmutzung und soziale Ungerechtigkeit.

Das religiöse Hähnchen

Der Zeichner bringt sogar erneut einen wichtigen autobiografischen Aspekt ein: seine tiefreligiöse Erziehung im US-amerikanischen "Bibelgürtel". Doch gehörten diese Anspielungen auf biblische Geschichten in den früheren Büchern zur Geschichte selbst, wirken sie hier nur noch aufgesetzt und deplatziert. Zumal es ausgerechnet der junge Hahn Elliott ist, der sie vorträgt. Das wirkt schon äußerst obskur.

Auch sonst scheint Thompson im weiteren Verlauf von "Weltraumkrümel" der Mut zu verlassen. Die Geschichte, die vor Anarchie nur so sprühen sollte, wird zur Feier des Familienzusammenhalts. Was seine wunderbaren, fantasievollen und stellenweise überspitzten Zeichnungen vorgeben, kann die mit zu viel schwerer Bedeutung aufgeladene Handlung nicht halten: Sie geht keine neuen, unverbrauchten Wege, sondern setzt auf Altbewährtes. Das ist zwar schön anzuschauen, zerstört aber auch den puren Spaß an der Geschichte.

"Weltraumkrümel" direkt bei Amazon bestellen. Der Band ist auch als limitierte Vorzugsausgabe erhältlich. Eine Leseprobe gibt es hier. Im März stellt Craig Thompson sein Buch in Deutschland vor.

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Author: Greg O'Connell

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